Stellungnahme zur Verabschiedung des Haushalts 2021
Nicole Pfeifer, SPD-Fraktionsvorsitzende
-es gilt das gesprochene Wort –
Breidenbach, 23.2.2021
Liebe Anwesende,
und wieder ist ein Jahr vorbei und der neue Haushalt der Gemeinde
Breidenbach will verabschiedet werden.
Vorletztes Jahr wurde fröhlich optimistisch investiert, für den letztjährigen
Haushalt ließen wir schon mit angezogener Handbremse die Vernunft walten…
und mit diesem Haushalt läuten wir endgültig eine richtig schwere Zeit ein. Von
der wir noch nicht wissen, wie lange sie dauert.
Dieser Haushalt macht mir nicht nur deshalb Bauchschmerzen. Den Haushalt an
sich hätte ich in der vom Vorstand vorgelegten Form zu 100 % mittragen
können.
Nicht zuletzt, weil er uns schon sorgfältig überprüft und maßgeschneidert
vorgelegt wurde. Als wir ihn bekamen, waren schon viele Gespräche mit der
Kommunalaufsicht geführt worden, um überhaupt einen ausgeglichenen
Haushalt vorlegen zu können. Der Finanzhaushalt unterläge eigentlich dem
Haushaltssicherungskonzept, aber auch hier gelten Corona Sonderbedingungen
und wir dürfen ihn mit unseren liquiden Mitteln ausgleichen. Dieser Puffer ist
dann aber auch weg. Puh.
Im nächsten Jahr muss dann ein Wunder her. Oder dann doch das
Haushaltssicherungskonzept. Oder eine Steuererhöhung. Das ist wahrlich keine rosige Perspektive.
Aber warum sollte die Gemeinde Breidenbach einem
Sonderrecht unterliegen und nicht konkret an den Folgen der weltweiten
Pandemie zu knabbern haben. Dieser Herausforderung werden wir uns stellen
müssen. Und wir werden das nicht abwenden können.
Die beiden anderen Fraktion haben sich aber wohl zum Ziel gesetzt, das zu
schaffen. Und haben sich drei Felder ausgesucht, an denen man doch sparen
kann. Nein zum ersten Mal geht der Haushalt nicht einfach durch. So einfach
will es zum Abschied keiner machen. Es gibt drei Anträge und Sperrvermerke,
die betreffen
Klimaschutz. Digitalisierung. Wertschätzung und Arbeitssicherheit
systemrelevanter Berufe. Zukunftsfähigkeit der Gemeindeverwaltung.
Davon von allem bitte weniger, lauten die Anträge. Das ist kein Witz. Während
wir beim vergangenen Haushalt noch über die Anzahl von Mährobotern
stritten, darüber, wie viel die Bepflanzung eine Kreisverkehrs kosten darf und
darüber, ob Spülmaschinen und Sonnenschutzanlagen gewartet werden
müssen, streichen wir dieses Jahr bei – ich widerhole: Klimaschutz,
Digitalisierung, bei der Wertschätzung und Arbeitssicherheit systemrelevanter
Kräfte und bei der Arbeitsqualität unserer Verwaltung.
Klingt etwas absurd angesichts der vollmundigen Versprechungen auf den
Wahlplakaten und in den Wahlflyern, die derzeit das Straßenbild beherrschen.
Aber schauen wir genau, welche Sperrvermerke und Anträge wir diskutiert
haben:
1. Unser Wald soll nicht neu bepflanzt werden.
78.000 T EUR waren für neue Pflanzen eingestellt, die natürlich auch gepflanzt
werden müssen. Die Frühjahrsbepflanzung hätte eh nicht stattgefunden, weil derzeit überhaupt keine geeigneten Pflanzen mehr zu bekommen sind. Wir
hätten also eh nicht das ganz Geld ausgegeben. All die Jahre hieß es seitens der
CDU, es könne doch nicht sein, dass wir so wenig Geld aus dem Wald holen.
Nun ist er kaputt. Und meinem Verständnis nach werden wir auch mit neuem
Holz kein Geld verdienen, so lange es nicht gepflanzt ist. Eigentlich müsste die
CDU die doppelte Aufforstung fordern. Axel, ich bin irritiert. Klar, hier kann
man einen Sperrvermerk setzen im ihn im Oktober wieder aufheben zu lassen.
Keine Ahnung wem das was nützt. Auf jeden Fall ist eins klar: Das ist nicht
nachhaltig. Wir vertun ein Jahr, um den Wald nachhaltig zu bewirtschaften. Wir
werden ein Jahr später ernten. Der Wald hat die unglaubliche Kraft, sich auch
alleine wieder zu entwickeln. Aber haben wir diese Zeit? Mit diesem
Sperrvermerk richten wir an sich keinen Schaden an. Aber wir setzen das
falsche Zeichen. Unsere pandemiegeschundene Seele braucht den Wald. Wir
wollen doch nicht nur auf Sichtweite fahren. Klar, kann man das später noch
machen. Aber Leute, wo wenn nicht bei diesem Thema wollen wir endlich
anfangen in die Zukunft zu denken? Wann wollen wir uns den Sorgen unserer
nachfolgenden Generationen annehmen, wann aufhören, ihnen alles
aufzubürden? Das haben wir schon viel zu lange versäumt. Großes
Kopfschütteln, Teil 1.
2. Unser Dienstleistungsbetrieb
Seit Jahren bekommen wir zu hören, dass der Dienstleistungsbetrieb nicht den
gesetzlichen Vorgaben entspricht. Die Unfallkasse moniert, und moniert, und
nichts tut sich. Ein neuer Dienstleistungsbetrieb an anderer Stelle war uns zu
teuer. Eine Sanierung auch. Und so drehen wir uns im kreis mit Vorschlägen,
Besichtigungen, halbgaren Lösungen. Ist doch noch alles gut. Ist es eben nicht.
Mit mehr Druck seitens der Unfallkasse ist noch einmal Bewegung ins Thema
gekommen. Und nun liegt ein Vorschlag auf dem Tisch. Der ist gut. Durchdacht. Und hat gefühlt alle überzeugt. Er bekommt trotzdem einen Sperrvermerk.
Weil das Parlament nicht früh genug Mitsprache hatte. Ja, wir haben den
Gemeindevorstand und die Gemeindeverwaltung schon oft gebeten, uns eher
ins Boot zu holen. Bitte, denkt daran, das stimmt! Die Frage ist: Braucht sie
dafür eine Retourkutsche in Form eines Sperrvermerks? Ist uns das wichtiger,
als den Mitarbeitern endlich ordentliche und gesetzeskonforme
Arbeitsbedingungen zu gewähren? Wenn wir eins in den letzten Monaten
gelernt haben, dann, was systemrelevante Berufe sind. Die Mitarbeitenden des
Bauhofs sind durch die Bank systemrelevant. Wir wissen ja, dass das nicht
immer mit monetärer Wertschätzung einhergeht. Wären wir da nicht
verpflichtet, Ihnen für ihre wertvolle Arbeit wenigstens gute, also
durchschnittlich NORMALE, Arbeitsbedingungen zu bieten? Es geht doch hier
nicht um einen Glaspalast! Sollten wir nicht dafür sorgen, dass unsere
Gemeinde als Arbeitgeber Arbeitsschutzauflagen einhält? Man, saniert das
Ding. Und zwar richtig. Gefuddelt wurde lang genug! Mir ist das zutiefst
unangenehm, wenn ich sehe, was woanders Standard ist. Ich habe keine Lust
mehr zu hoffen, dass da nichts Schlimmes passiert. Klar, man kann auch warm
sanieren. Aber ich bin lieber auf der sicheren Seite. An Arbeitssicherheit,
Brandschutz etc. sollte man nicht sparen.
Und was ein Paradoxon: Für die Fahrzeugflotte haben wir einen
Mehrjahreskonzept. Die Maschinen dürfen kosten. Der Rest bitte nicht. Ich
hätte in dieser Runde gedacht, dass solch wichtige Positionen auch
entsprechend wertgeschätzt werden. Denken wir an unsere Freiwilligen
Wehren, da ziehen wir doch auch an einem Strang. Und hier machen das die
Mitarbeiter hauptberuflich, und denen ist es nicht gegönnt, im Winter zwischen
stundenlangen Streudiensten mal den Kaffee im Warmen zu trinken? Das ist
doch wohl ein schlechter Scherz. Wir geben Euch gerne einen Dank für den hervorragenden Winterdienst. Aber den Rest müssen wir uns noch gaaaaaaanz
gründlich überlegen. Seltsame Botschaft.
Dieser Sperrvermerkt ist für mich nicht nachvollziehbar. Immerhin darf schon
einmal geplant werden. Und das Erweiterungsgebäude angekauft werden.
Aber wann wollen wir dann mit der Umsetzung loslegen? Im Winter? Vertan,
vertan sprach der Hahn. Großes Kopfschütteln Teil 2.
2. Der Stellenplan
Und dann, Teil 3, sparen wir noch am Personal. Um Himmels Willen, jedes Jahr
dieser streng prüfende und erschrockene Blick der kritischen Fraktionen auf
den Stellenplan. Und dann der Supergau: 2,5 Stellen plus 2021, wo das Geld
schon knapp ist!! Da schrillen direkt die Alarmglocken. Wir bejubeln jeden
einzelnen neuen Arbeitsplatz in der Kommune, aber doch bitte, bitte nicht im
Rathaus!!!!
Eine neue halbe Stelle für Digitalisierung. Was bitte bringt uns das? Und das
fragen wir uns allen Ernstes noch nach einem Jahr Pandemie? Wo die schlecht
ausgestatteten Gesundheitsämter darüber entschieden haben, wie viel
Wirtschaft runtergefahren werden muss, wie Kontakte nicht mehr
nachvollzogen werden konnten? Welch ein Schaden weil die digitale
Infrastruktur und Arbeitsweise in diesem Land nicht stimmen!!! Wo ein Haufen
Mütter sich nur noch mit Antidepressiva weiterzuhelfen wussten, weil die
Voraussetzung für Homeschooling schlichtweg nicht da waren? Weil die
angekündigten Tablets für alle sozial schwachen Kinder auch ein Jahr später
noch überkamen? Wo die Leitung auf dem Dorf nichtmals stabil genug ist, um
in einem Haushalt drei Videokonferenzen gleichzeitig durchzuführen? Wo
Leute, die hier hinziehen wollen, nicht hierhin ziehen können, weil das
Glasfaserrohr vor der Haustür leider leer und nicht angeschlossen ist? Wir haben übrigens viel Geld für Tablets für die Mandatsträger in diesem Haushalt
bereitgestellt. Will keiner kürzen. Weil man da ja schließlich hervorragend mit
arbeitet. Aber an der Person, die uns die einrichtet, wollen wir uns sparen. Und
unseren persönlichen Service in der Gemeinde dafür auch. Beauftragen wir
doch einen externen Dienstleister. Es wird sicherlich billiger werden.
Da dann kam in unseren Beratungen noch so eine Frage auf: Und was hat die
Bevölkerung von einer Kommune, die up to date ist? Das möchte ich nicht allen
Ernstes diskutieren. Vor allem geht es gar nicht darum. Sondern darum, dass
die Arbeit im Büro heute einfach anders läuft. Wenn früher Stromausfall war,
hat man halt mal abgeheftet. Heute muss alles wasserdicht funktionieren. Es
sind einfach die Arbeitsmittel. So wie in der Schreinerei die Säge funktionieren
muss, muss auf dem Amt die IT-Infrastruktur laufen. Jeder zu langsame
Rechner kostet Arbeitszeit. Jedes Gerät muss gewartet, installiert, upgedatet
werden. Dann die Spezialsoftware. Nein, wir schicken heute keine Kopien mehr
nach Marburg. Ich habe es immer als großes Glück erachtet, dass die
Gemeinde einen Michael Völker hat, der das alles so nonchalant auch noch
schaukelt und mit den entsprechenden Anbietern auf Augenhöhe nach all den
strengen deutschen Datenschutzabgaben abwickelt. Irre. Er konnte sich noch
nie teilen, wollen wir das nicht mal anerkennen? Andere Kommunen zollen
unserer digitalem Fortschritt Respekt, warum wollen wir da jetzt bremsen???
Ah ok, zwei Stellen von den 2,5 Stellen sollen nur temporär besetzt werden.
Aber die Gemeindefinanzen nach vielen Jahrzehnten in neue Hände zu geben –
dafür braucht man vielleicht Prüfungen, aber doch keine Einarbeitung. Wir
zahlen doch nicht doppelt! Hieß es letzte Woche in der Diskussion. Nein, das
war auch lange nicht üblich in der Verwaltung. Aber das macht es nicht
richtiger. Jedes Wirtschaftsunternehmen hat gelernt, anders zu denken.
Personalentwicklung ist inzwischen fast ein Zauberwort. Mitarbeiter binden. Wissen binden. Know-how, das abwandert, verursacht wirtschaftlichen
Schaden!!! Da sieht man nicht nur die Kostenstelle.
Und wenn wir uns alleine dieses Zahlenwerk ansehen, sollten wir ganz demütig
werden. Jahrelang haben wir uns auf Heike Schmidt verlassen. Als absolute
Fachfrau. Die hat ihren Ruhestand wohlverdient. Natürlich kann man sagen:
Nach mir die Sintflut. Aber wenn man die Arbeit lang und gern gemacht hat,
macht man das nicht. Da möchte man sein Lebenswerk in den richtigen Händen
wissen. Und da haben wir tatsächlich Nachwuchs in der Kommune, der sich
diese Verantwortung zutraut? Toll. Besser kann es nicht laufen! Und ich war
gerade dabei, die hervorragende Arbeit der Gemeinde als Arbeitgeber zu loben
als der Antrag für den Sperrvermerk kam. Na eine Stelle geht vielleicht noch
doppelt. Aber nicht zwei. Was maßen wir uns hier eigentlich an? Welcher
Unternehmer übergibt sein Unternehmen an einen Nachfolger, ohne den
einzuarbeiten und ihm mit Rat und Tat zur Seite zu stehen? Seit letzten
Mittwoch habe ich den Satz von Heike Schmidt tinnitusartig im Ohr. „Das ist
lächerlich“. Vielleicht überfordern wir die jungen Nachfolger auch unnötig. Und
dann sind sie schneller weg als uns lieb ist. Aber der Antrag musste doch
durchgeboxt werden. Das hat mich am allermeisten entsetzt. Da fehlt mir
Menschlichkeit. Empathie. So springt man nicht mit Leistungsträgern um!
Nein, die Gemeinde ist als Arbeitgeber auch nicht die Wohlfahrt. Aber so
sporne ich nicht zu Leistung an. So nehme ich jeder Motivation den Wind aus
den Segeln. Nicht nur bei den in diesem Fall persönlich betroffenen
Mitarbeitenden. Diese Geringschätzung und Missachtung einer für mich
wirklich starken Leistung ist mir zutiefst unangenehm und ich möchte
behaupten, dass wir mit der Diskussion von letzter Woche einen Schaden
angerichtet haben, der bei weitem über dem Wert liegt, über den wir reden.
Was ein menschenunwürdigeres Geschachere. Diesem Antrag kann man nicht zustimmen! Ich glaube auch nicht, ob man so im Interesse unserer Bürger
handelt. So möchte keiner selbst behandelt werden an seinem Arbeitsplatz.
Und auch nicht seine Kolleginnen und Kollegen behandelt wissen. Ein drittes
Mal großes Kopfschütteln.
Fazit: Wir sparen dank der drei Anträge von Bürgerliste und CDU genau an den
falschen Stellen. Das ist nicht mehr mein Haushalt. Aber lehne ich ihn ab,
laufen wir Gefahr, unnötig Handlungsunfähig zu werden. So bleibt mir nichts
übrig, ihm dennoch zuzustimmen und dem demokratischen
Abstimmungsprozess bei der Abstimmung über die Anträge und Sperrvermerke
Rechnung zu tragen. Aber mir missfallen sie alle drei – mehr oder weniger.
Fünf Jahre haben wir in diesem Gremium wirklich gut und kooperativ
zusammengearbeitet. Mensch, diese Anträge passen irgendwie nicht zu Euch,
liebe CDU und Bürgerliste, so habe ich Euch in Eurer Fraktionsarbeit nicht
kennengelernt!!!
Ich bedanke mich aber auch für die Möglichkeit zur Kontroverse – wir brauchen
sie.
Jetzt ist es an der Zeit, dass die Karten mit der Wahl noch einmal neu gemischt
werden.
Mir ist wichtig, dass gerade die Zukunftsthemen und die langfristige
strategische Ausrichtung auch im politischen Handeln auf Zeit wieder mehr
Raum gewinnt. Starten wir mit diesem Haushalt und sehen in als Aufforderung
dazu. Ich möchte mich beim Gemeindevorstand, bei den Mitarbeitenden der
Verwaltung und kommunaler Betriebe, bei allen Mitstreitern hier im Parlament
und seinem Vorsitzenden, bei der Presse und der aufmerksamen Öffentlichkeit
bedanken für die sehr gute Zusammenarbeit in den vergangenen fünf Jahren
und verabschiede mich von allen, wer weiß in welcher Form hier
weitergearbeitet wird. Ich hoffe und drücke die Daumen, dass es so
zielorientiert bleibt wie ich es größtenteils erlebt und geschätzt habe. Und ich
freue mich auf den Tag, an dem wir wieder gemeinsam essen gehen können.